Klassenfahrt, das heißt eine Woche lang Bildung pur – dazu Verbesserung der sozialen Kompetenz und der Klassengemeinschaft. In Wirklichkeit aber reden wir von einer Woche Blödsinnmachen. Berlin ist dafür ein guter Standort, denn dort gibt es ohnehin reichlich viel Blödsinn: eine abgerissene Mauer, einige Experten im Bundestag und das „Generator-Hotel“ in Berlin Mitte.
Angekommen im Hotel am Tag der Ankunft warteten wir einen Mauerbau lang, um in unsere Zimmer zu gelangen. Doch alles hat sein Gutes, denn so konnten wir am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, ein „Broiler“ (ein gebratenes Huhn in der Berliner Landessprache) zu sein. Den Ausflug ins Solarium konnten wir uns schon einmal sparen.
Als wir die Zimmer betraten, erkannten wir sofort, dass wir ein Luxushotel gebucht hatten, dem wir bei Google sofort fünf Sterne gaben. Die Betten waren sehr bequem und die Dusche reinigte nicht nur uns, sondern direkt das gesamte Zimmer. Und jetzt mal Hand aufs Herz: Benötigt man wirklich eine Klimaanlage in einem 8-Bett-Zimmer, wenn es doch Deo gibt? Diese Zimmer wollten wir jedenfalls nie wieder verlassen und so überlegten wir, wie sich unsere Bildung vor Ort erweitern lassen konnte, ohne aus dem Hotel zu gehen.
Der Hotel-Unterricht begann mit einer Stunde Technik, indem wir lernten, den Rauchmelder in Blitzgeschwindigkeit sowohl ab- als auch wieder anzumontieren. Danach folgte Mathematik: Mit einem Geodreieck maßen wir die Zimmer aus. Die Lösung lautete: 4 Personen dividiert durch 4 Quadratmeter gleich 0 Platz. Anschließend kam Englisch dran. Hier lernten wir nicht mit unseren Lehrern, sondern mit dem heimlichen fünften Mitbewohner unseres Zimmers: dem Security-Mann des Hotels, der so oft in unser Zimmer kam, dass er uns ans Herz wuchs und wir ihm einen Quadratzentimeter in unserem Zimmer freiräumten. Schließlich sollte er auch nicht leben wie ein Hund, zumal wir endlich einmal in authentischen Situationen Englisch sprechen durften, denn das Hotelpersonal sprach ausschließlich Englisch.
Für das Fitness-Training gab es in den Räumen des Hotels ebenfalls Möglichkeiten, und zwar nachts auf dem Hotelflur. Fangen spielen mit den Lehrern hieß der Kurs, den wir täglich belegten. Der erste Schüler, der sich fangen ließ, erhielt zur Belohnung die Aufgabe, einen 300-Wörter-Aufsatz zu schreiben. Dieser Kurs erfreute sich jedenfalls allgemeiner Beliebtheit, besonders bei den Lehrern, die, selbst als wir alle schon längst erschöpft in unseren Betten schliefen, noch draußen auf den Fluren auf uns warteten. Der Unterricht endete mit Geschichte. Dafür mussten wir tatsächlich das Hotel verlassen, was nur unter Protest erfolgte, und wir besuchten das alte Stasi-Gefängnis.
Schließlich war die Klassenfahrt leider vorbei: Eine Woche lang Bildung pur. Nur das mit dem Blödsinnmachen, das hat nicht geklappt. Na, vielleicht beim nächsten Mal.
Klasse 10C