Wie die Literatur und Malerei hat auch der Film seine eigene Poesie und Rhetorik, seine eigenen künstlerischen Mittel. Während wir beim Genuss eines Filmes ganz der Handlung hingegeben sind, bemerken wir die „Filmsprache“ kaum. Um einen Film nicht nur inhaltlich, sondern auch hinsichtlich seiner künstlerischen Form wahrzunehmen, bedarf es aber weitreichender Kenntnisse seiner Mittel. Dazu gehören etwa die Einstellungsgröße, die Kameraperspektive und -bewegung, die Montage des Bild- und Tonmaterials und vieles mehr.
Sich mit den Gestaltungsmitteln des Films in der Oberstufe zu beschäftigen, ist nicht nur durch das Curriculum nahegelegt, das die Thematisierung „filmischer Umsetzung“ im „Inhaltsfeld Medien“ obligatorisch vorsieht, sondern auch durch den Umstand, dass der Film ein wesentlicher Bestandteil der ästhetischen Lebenswelt unserer Schülerinnen und Schüler ist. Wir freuen uns daher sehr, dass wir Herrn Dr. Rayd Khouloki für ein Filmseminar am 1. und 2. Dezember gewinnen konnten. Das Seminar wandte sich vor allem an die Schülerinnen und Schüler, die den Leistungskurs Deutsch besuchen (oder dies für die Qualifikationsphase planen), und umfasste für die Kurse der Q-Phase jeweils vier Unterrichtsstunden.
Herr Dr. Khouloki, der Filmwissenschaftler an der Universität Wien ist, gelang es sehr gut (wohl auch aufgrund seiner Erfahrungen mit Veranstaltungen für jüngere Studenten) unsere Oberstufenschüler auf einem für sie förderlichen Anforderungsniveau anzusprechen und dialogisch – einer Präsentation folgend – zunächst in das grundlegende „Vokabular“ der Filmanalyse einzuführen. Die Schülerinnen und Schüler konnten schnell auch die ihnen meist unbekannten Filmszenen mit Hilfe der vorher vermittelten Gesichtspunkte genauer in den Blick nehmen und auch anfänglich filmtheoretisch analysieren.
Seine Einführung hatte Herr Dr. Khouloki dabei auf einen solchen Ablauf angelegt, dass am Ende eine beeindruckende Gesamtschau des Anfangs von Alfred Hitchcocks Film „Das Fenster zum Hof“ („Rear Window“) von 1954 möglich wurde und die Schülerinnen und Schüler die im Seminar thematisierten filmischen Mittel auch auf den Vergleich mit der Eingangsszene aus Roman Polanskis Film „Der Mieter“ („Le locataire“) von 1976 in einer die Reflexion weitenden Perspektive anwenden konnten. Entlassen wurden die Schülerinnen und Schüler mit der Frage nach dem „Voyeur“: Schaut der Filmbetrachter als eine Art Voyeur aus dem Fenster in den Hof (Hitchcock) oder nicht vielmehr vom Hof aus in die Fenster der Wohnungen (Polanski)?
Das Filmseminar hat gezeigt, dass externe Experten nicht allein durch ihr Wissen, sondern auch durch die Freude an ihrem Fach unsere Schülerinnen und Schüler begeistern können. Die Lehrerinnen und Lehrer werden die Inhalte des Filmseminars sicher in ihrem Unterricht aufgreifen – eine Wiederholung der Veranstaltung wäre also sehr zu wünschen. Wir danken Herrn Dr. Rayd Khouloki herzlich für sein lehrreiches und schülerzugewandtes Seminar und Frau Khouloki für dessen (durchaus nicht einfache) Organisation.
Yves Hellmuth